Schlaganfall und Aphasie kindgerecht vermitteln
Als ich meine Tätigkeit als Sprachtherapeutin (S-LP) am Aphasia Institute in Toronto, Kanada, begann, bestand der Großteil meiner Klienten aus Senioren. Im Laufe der Jahre verschob sich die Demografie hin zu einer jüngeren Zielgruppe. Laut den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) erleiden jedes Jahr mehr als 795.000 Menschen in den Vereinigten Staaten einen Schlaganfall. Schlaganfälle bei jungen Erwachsenen (unter 50 Jahren) machen schätzungsweise 10-15 % aller Schlaganfälle aus. Viele dieser Schlaganfallüberlebenden haben kleine Kinder und stehen vor vielen Herausforderungen in Bezug auf Elternschaft und Familienleben. Kommunikation ist ein wesentliches Element im Familienalltag. Wenn Eltern nach einem Schlaganfall unter Aphasie leiden, gestalten sich diese Herausforderungen noch größer. Stellen Sie sich vor, wie viele Gespräche Sie an einem Tag mit Ihrem Kind führen. Nun stellen Sie sich vor, nicht in der Lage zu sein, Ihrem Kind Fragen über die Schule zu stellen, Ratschläge zu teilen oder eine Gute-Nacht-Geschichte vorzulesen.
Mein Weg zur Entstehung von Listen with Your Heart: Helping Kids Understand Stroke and Aphasia (deutsch: Höre mit dem Herzen: Schlaganfall und Aphasie kindgerecht vermitteln) begann zufällig mit einer Gute-Nacht-Geschichte. Eines Abends wollte meine Tochter nach der Vorlesezeit nicht ins Bett gehen. Sie war aufgebracht, ich war müde. Ich sagte ihr, sie solle mit ihrem Kuscheltier, Teddy, darüber reden. Das überzeugte sie nicht, und sie erklärte mir, dass Teddy nicht antworten könne und ihr daher nicht beim Einschlafen helfen könne.
Aus irgendeinem Grund fiel mir ein Satz ein, den eine beeindruckende Sozialarbeiterin namens Charline Sherman oft benutzte. Als Berufsanfängerin war ich beeindruckt davon, wie Charline immer wusste, was sich hinter einer Bemerkung oder Situation verbarg. Als ich sie nach ihrem Geheimnis fragte, sagte sie: „Ich höre mit meinem Herzen zu.“ Ich erklärte meiner Tochter, dass Teddy vielleicht nicht sprechen könne, aber mit dem Herzen zuhört. Diese Antwort genügte ihr, und sie ging ins Bett. Und damit hatte ich die Inspiration, die zum Hauptthema meines Buches wurde.
Wenn man mit Menschen mit Aphasie kommuniziert, ist es oft wichtiger, mit dem Herzen zuzuhören, auf die Körpersprache und den Ton zu achten, als sich auf die genauen Worte zu konzentrieren, die verwendet werden. Ich habe die Herausforderungen gesehen und gespürt, mit denen junge Schlaganfallüberlebende und Sprachtherapeut:innen konfrontiert sind. Ich konnte mir nicht vorstellen, Elternteil eines kleinen Kindes zu sein, meine eigene Aphasie nicht vollständig zu verstehen und sie dann meinem Kind erklären zu müssen. Ich wusste, dass ich die Fähigkeit und das Wissen hatte, um etwas zu entwickeln, das diese Lücke schließen könnte. Nun hatte ich die Inspiration, die ich brauchte.
Meine Vermutung, dass es an Ressourcen mangelt und dass in diesem Bereich Bildungsbedarf besteht, wurde durch eine Befragung bestätigt. Mehr als 75 % der befragten Sprachtherapeut:innen gaben an, dass ihrer Meinung nach die Angebote für Kinder von Eltern mit erworbenen Sprach- und Kommunikationsstörungen verbessert werden müssten. Sie nannten Hindernisse wie den begrenzten Zugang von Kindern zu Therapiesitzungen, mangelndes Vertrauen in die Gespräche, Unsicherheiten, ob Kinder in die Therapie einbezogen werden sollten, sowie einen Mangel an Infomaterial, finanziellen Mitteln und Zeit.
Das Buch Listen with Your Heart wurde geschrieben, um diese Lücke zu füllen und Fachkräften im Gesundheitswesen sowie Betreuungspersonen Strategien, Formulierungen und Selbstvertrauen an die Hand zu geben, um Kinder zu diesem wichtigen Thema aufzuklären. Listen with Your Heart soll Menschen, die von Schlaganfall und Aphasie betroffen sind, helfen und gleichzeitig eine Haltung der Akzeptanz und Hoffnung fördern. Beim Lesen des Buches werden Sie Fragen und Kommentare am unteren Rand einiger Seiten bemerken. Diese Gesprächsimpulse wurden sorgfältig entwickelt, um den Austausch zu fördern. Mein Wunsch ist es, dass das Buch nicht nur dazu dient, Aphasie und kommunikative Unterstützung zu erklären, sondern auch ganz allgemein um schwierige, aber wichtige Gespräche zu bewältigen. Es greift Themen, Fragen und Gefühle auf, die Familien vielleicht nicht erwartet haben, die jedoch im Laufe der Zeit häufig aufkamen.
Sollten Sie das Buch nutzen, um mit Kindern über Schlaganfall und Aphasie zu sprechen, halte ich es für wichtig, deren Anliegen offen anzusprechen. Betreuungspersonen vermeiden manchmal Gespräche über Schlaganfall und Aphasie, um Kinder zu schützen. Kinder spüren jedoch oft, wenn etwas nicht stimmt. Nehmen Sie sich Zeit, um zu verstehen, was das Kind über die Situation denkt, da Emotionen und Reaktionen sehr verschieden sein können. Vermeiden Sie es, eine vollständige Genesung zu versprechen, da die Erkrankung sehr unterschiedlich verlaufen kann. Es ist hilfreich, das Kind zu beruhigen, dass es nicht seine Schuld ist. Wenn es Bedenken hinsichtlich des Wohlbefindens des Kindes gibt, sollten Sie sich an einen Hausarzt, eine Hausärztin oder eine:n Psycholog:in wenden.
Das Buch Listen with Your Heart schließt eine wichtige Lücke in der Versorgung von Menschen mit Aphasie! Ich hoffe, dass Sie in seinen Seiten etwas Bedeutendes finden.
Holen Sie sich Ihr Exemplar des Buches
Über die Autorin
Lisa Samson ist Sprachtherapeutin und arbeitet seit ihrem Abschluss an der University of Toronto im Jahr 2008 mit Menschen und Familien, die von Aphasie und erworbenen Hirnverletzungen betroffen sind. Lisa sammelte ihre klinischen Erfahrungen während ihrer über 10-jährigen Tätigkeit am Aphasia Institute. Sie ist Assistant Clinical Professor an der McMaster University. Mit dem Life Participation Approach to Aphasia und unterstützenden Gesprächstechniken hat Lisa zahlreiche Familien, Einzelpersonen und Gesundheitsdienstleister angeleitet. Derzeit arbeitet Lisa bei Lear Communication und betreut Klienten im Großraum Toronto.
Für weitere Informationen kontaktieren Sie gern: Resourcefulslp@gmail.com
Literaturverweise und verwandte Artikel
Brain Injury Canada. (2020). Language and communication. https://braininjurycanada.ca/en/living-brain-injury/language/
Bright, Felicity, Attrill, Stacie, & Hersh, Deborah. (2021). Therapeutic relationships in aphasia rehabilitation: Using sociological theories to promote critical reflexivity. International Journal of Language & Communication Disorders, 56(2), 234–247. https://doi.org/10.1111/1460-6984.12590
Bright, Felicity A. S, Kayes, Nicola M, McPherson, Kathryn M, & Worrall, Linda E. (2018). Engaging people experiencing communication disability in stroke rehabilitation: a qualitative study. International Journal of Language & Communication Disorders, 53(5), 981–994. https://doi.org/10.1111/1460-6984.12409
Dawes, K., Carlino, A., van den Berg, M., & Killington, M. (2020). Life altering effects on children when a family member has an acquired brain injury; a qualitative exploration of child and family perceptions. DIsability and Rehabilitation, 44(2), 282–290. https://doi.org/10.1080/09638288.2020.1766582
Dawes, K., Simpson, G., Lines, L., & Van Den Berg, M. (2024). Interventions to support children after a parental acquired brain injury: A scoping review. Brain Injury, 38(10), 773–786. https://doi.org/10.1080/02699052.2024.2347555
DeVries, D., & Sunden, S. (2019). Bibliotherapy with children who have a sibling with a disability. Journal of Poetry Therapy, 32(3), 135–155.
https://doi.org/10.1080/08893675.2019.1625147
Gabrielle M. Harris & Janet Prvu Bettger (2018) Parenting after stroke: a systematic review, Topics in Stroke Rehabilitation, 25:5, 384-392, DOI:10.1080/10749357.2018.1452366 Harris Walker, Gabrielle, Oyesanya, Tolu O,
Hallé, M & Le Dorze G. (2013). Understanding significant other’s experience of aphasia and rehabilitation following stroke. Disability and Rehabilitation, 38 (21), 1774-1782.
Harlow, Ann, & Murray, Laura L. (2001). Addressing the Needs of Adolescent Children When a Parent Becomes Aphasic: One Family's Experiences. Topics in Stroke Rehabilitation, 7(4), 46–51. https://doi.org/10.1310/3V28-6BQ5-CWPG-V3UF
Hurley, Alexandria, Sandhu, Sahil, Liu, Chelsea, Mulla, Maaz, & Prvu Bettger, Janet. (2021). Recovery experiences of younger stroke survivors who are parents: A qualitative content analysis. Journal of Clinical Nursing, 30(1-2), 126–135. https://doi.org/10.1111/jocn.15529
Kissela, B. M., Khoury, J. C., Alwell, K., Moomaw, C. J., Woo, D., Adeoye, O., Flaherty, M. L., Khatri, P., Ferioli, S., De Los Rios La Rosa, F., Broderick, J. P., & Kleindorfer, D. O. (2012). Age at stroke: Temporal trends in stroke incidence in a large, biracial population. Neurology, 79(17), 1781–1787. https://doi.org/10.1212/WNL.0b013e318270401d
Kitzmüller et al., (2012). Long-term Experiences of Living with Stroke in a Family Context. Faculty of Health Sciences. https://munin.uit.no/bitstream/handle/10037/4623/thesis.pdf?isAllowed=y&sequence=2
Lawrence, M 2010, 'Young adults’ experience of stroke: a qualitative review of the literature', British Journal of Nursing, vol. 19, no. 4, pp. 241-248.
Le Dorze, Guylaine, Tremblay, Véronique, & Croteau, Claire. (2009). A qualitative longitudinal case study of a daughter's adaptation process to her father's aphasia and stroke. Aphasiology, 23(4), 483–502. https://doi.org/10.1080/02687030801890909
Ller, Gabriele Kitzmü, Asplund, Kenneth, & Häggströ, Terttu. (2012). The long-term
experience of family life after stroke. The Journal of Neuroscience Nursing, 44(1), E1–E13. https://doi.org/10.1097/JNN.0b013e31823ae4a1
Manders, E., Mariën, A., & Janssen, V. (2011). Informing and supporting partners and children of persons with aphasia: A comparison of supply and demand. Logopedics Phoniatrics Vocology, 36(4), 139–144. https://doi.org/10.3109/14015439.2011.562534
Manning, Molly, MacFarlane, Anne, Hickey, Anne, & Franklin, Sue. (2019). Perspectives of people with aphasia post-stroke towards personal recovery and living successfully: A systematic review and thematic synthesis. PloS One, 14(3), e0214200–e0214200. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0214200
Michie, S., Van Stralen, M. M., & West, R. (2011). The behaviour change wheel: A new method for characterising and designing behaviour change interventions. Implementation Science, 6(1), 42. https://doi.org/10.1186/1748-5908-6-42
Shrubsole, K., Pitt, R., Till, K., Finch, E., & Ryan, B. (2021). Speech language pathologists’ practice with children of parents with an acquired communication disability: A preliminary study. Brain Impairment, 22(2), 135–151. doi:10.1017/BrImp.2020.11
Vetri, K., Piché, G., & Villatte, A. (2022). An evaluation of the acceptability, appropriateness, and utility of a bibliotherapy for children of parents with a mental illness. Frontiers in Psychiatry, 13, 815873.
Walker, H.G., Oyesanya, T. O., Hurley, A., Sandhu, S., Liu, C., Mulla, M., & Prvu Bettger, J. (2021). Recovery experiences of younger stroke survivors who are parents: A qualitative content analysis. Journal of Clinical Nursing, 30(1–2), 126–135. https://doi.org/10.1111/jocn.15529
Yahya, T, et al., (2020).Stroke in young adults: Current trends, opportunities for prevention and pathways forward. American Journal of Preventative Cardiology, vol 3 https://doi.org/10.1016/j.ajpc.2020.100085